Freitag, 27. Dezember 2013

Mein französisches Weihnachten



In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl, alle Bewohner des Reiches in Steuerlisten einzutragen. Dies geschah zum ersten Mal; damals war Quirinius Statthalter von Syrien. Da ging jeder in seine Stadt, um sich eintragen zu lassen. So zog auch Josef von der Stadt Nazaret in Galiläa hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Betlehem heißt; denn er war aus dem Haus und Geschlecht Davids. Er wollte sich eintragen lassen mit Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartete. Als sie dort waren, kam für Maria die Zeit ihrer Niederkunft, und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war.
Lk 2, 1-7
Mit diesen Worten beginnt das Weihnachtsfest in Frankreich. Als Auftakt geht man in die Christmette, in der dieses Evangelium gelesen wird. Wir sind in die Christmette um 19 Uhr gegangen. Sie war für mich vom Ablauf her wie jedes Jahr, bis auf ein paar Ausnahmen: eine andere Sprache, es ist sehr hell in der Kirche, "Stille Nacht" wurde als Danklied und nicht als Schlusslied gesungen. Diesmal saß ich, wie jeden Sonntag hier, im Volk und nicht im Altarraum. Die Aufregung, als Ministrant etwas falsch zu machen, hat gefehlt. Eine kleine Tatsache, die zu Weihnachten gehört. Vielleicht sogar die Tatsache, die für mich an Weihnachten den Unterschied macht.

Nach der Christmette gibt es Essen. Höchste Zeit, der Magen knurrt. Béatrices Onkel väterlicherseits feiert mit uns. Zum Aperitif gibt es, wie immer an festlichen Anlässen, leckere Kleinigkeiten und deutschen Kirsch-Sekt. Das hätte mir schon gereicht, obwohl ich nicht so viel gegessen hab. So spät kann ich nicht mehr so viel essen, da bin ich schnell satt, selbst wenn ich Hunger hatte. Als Hauptspeise gibt es Austern und selbstgeräucherten Lachs. Am Tag vorher haben wir auch schon Austern gegessen. Ich mag sie nicht. Bleibt der Lachs. Als Weihnachtsessen Lachs? Ich liebe Lachs, aber das ist ein alltägliches Essen und nicht für Heiligabend. Meiner Meinung nach. Als Nachspeise gibt es nichts Besonderes, aber keiner hat mehr Hunger. Wir essen nur ein paar gâteaux Noël - Plätzchen, Laible, wie ihr wollt.


Hélène will dann unbedingt die Geschenke auspacken, die schon seit nachmittags unter dem Christbaum liegen. Es ist aber auch zu gemein, die Geschenke den ganzen Nachmittag und Abend zu sehen und nicht auspacken zu dürfen. Nach dem Essen ist es aber soweit: Alle dürfen sich auf die Geschenke stürzen. Meine drei Gastschwestern haben ihre schon vor dem Essen gesucht und wissen genau, welche für sie sind. Ich weiß es nur bei einem Geschenk sicher. Das unverpackte Geschenk im Briefumschlag von meiner besten Freundin. Ich wusste nicht, was es ist, die anderen Sachen hab ich schon vorher mit Erlaubnis blind rausgeholt. Nur das Geschenk musste drinbleiben und ist mitsamt dem Umschlag unter dem Baum gelandet. Über alle Geschenke schreib ich später noch einen extra Bericht. Ich lasse mir bei jedem Geschenk Zeit, es anzuschauen, mich darüber zu freuen und an den Schenker zu denken. Gleichzeitig muss ich aufpassen, dass ich auch mitbekomme, wie sich die anderen über ihre Geschenke von mir freuen. Nach jedem Geschenk bedankt man sich zwar mit *Küsschen links, Küsschen rechts* beim Schenker, aber ich will die komplette Freude sehen. Die Vorfreude beim Auspacken, das Wundern über das Geschenk und die bleibende Freude.
Gar nicht so leicht, die eigenen Geschenke auszupacken und zu genießen und dabei die anderen zu beobachten. Ich glaube, das ist einer der Gründe, warum meine deutsche Familie einen "Bescher-Stuhl" hat. (Einer darf sich auf den Stuhl setzen, eines seiner Geschenke auspacken, sich freuen und bedanken, und anschließend irgendein Geschenk aussuchen, das dann der nächste Empfänger auspacken darf.)

Nach der Bescherung schauen wir einen Film an, den Béatrices Onkel noch nicht kennt. Es ist ein Film mit vielen Wortwitzen und es werden ziemlich viele umgebracht, der perfekte Film für Heiligabend. Ich bin schon ziemlich müde und verstehe deswegen fast gar nichts. Als ich dann das Fernsehzimmer verlasse, seh ich die anderen auch schon alle am Schlafen. Der einzige, der die Handlung noch wirklich verfolgt, ist der, der den Film noch nicht kannte. Beim Rausgehen sage ich Bonne Nuit - Gute Nacht. Da kommt sogar ein mehrstimmiges Bonne Nuit zurück.

Am nächsten Tag, dem 1. Weihnachtsfeiertag, kommt Béatrices Oma mütterlicherseits - bonne-maman - mit ihrem Lebensgefährten zu Besuch. Der Onkel hat bei uns übernachtet. Zum Mittagessen gibt es nach dem Aperitif (mit Champagner) foie gras (Gänseleber) als Vorspeise, Gans und grüne Bohnen als Hauptspeise und als Nachspeise bûche de Noël, den Weihnachtskuchen. Während des Käsegangs gehen wir vier Mädels einen Film schauen, wie immer bei festlichen Anlässen. Zur Nachspeise werden wir dann gerufen. Bei dem Film sind wir zwischen Hauptspeise und Nachspeise 40 Minuten weit gekommen. Franzosen essen lange. Nicht langsam, aber lange.
Beim Aperitif haben wir noch Geschenke von bonne-maman und ihrem Lebensgefährten bekommen. Ich sag nur so viel: Es war nicht wirklich wenig.
Nach der Nachspeise haben wir unseren Film weitergeschaut und Béatrices Oma und ihr Lebensgefährte sind irgendwann am frühen Abend gegangen. Da haben wir nochmal eine kurze Pause eingelegt, um uns zu verabschieden.
Später ist dann noch ein Cousin von meinem Gastvater mit seiner Familie gekommen. Es gab aber nur Knabbereien und Champagner, weil alle gut zu Mittag gegessen hatten. Mit der Tochter haben wir dann auch noch einen Film angeschaut. Nachdem auch sie wieder gefahren sind, bin ich bald ins Bett gegangen, weil ich so müde war. Damit war mein französisches Weihnachtsfest auch schon wieder vorbei, denn der 26. Dezember ist hier kein Feiertag mehr.

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